Kurt Dietrich Schmidt, Einführung in die Geschichte des Kirchenkampfes in der nationalsozialistischen Zeit. [Eine Vorlesungsreihe, maschinengeschr. 1960, mit handschriftlichen Korrekturen bis 1964; postum] herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Jobst Reller, Hermannsburg: Ludwig-Harms-Haus 2. Aufl. 2010.
Ende des Kirchenkampfes und Verdienst der BK
Wie ist der Kampf entschieden worden zwischen Bekenntnis und Irrglauben, zwischen Kirche und Nichtkirche, zwischen Sein und Nichtsein des evangelischen Christentums in Deutschland? Die Antwort lautet: dieser Kampf ist entschieden worden durch den Zusammenbruch des NS-Staates 1945.
Das Verdienst der BK, ihre historische Leistung ist einfach zu beschreiben, wie es K. D. Schmidt in seiner großen Kirchenkampf-Vorlesung kurz vor seinem Tod 1964 prägnant und eindrücklich tut: Wenn "diese natürliche Volkstums- und Rassereligion" mit ihrer Blut- und Boden-Ideologie, mit ihrer theologischen Rechtfertigung des NS-Staates als einer neuen Offenbarung Gottes, mit ihrem Gott in der Tiefe der deutschen Seele, mit ihrer Abschaffung des Alten Testamentes und wesentlicher Teile des Neuen Testaments, mit ihrer Ablehnung des sog. Weltprotestantismus, also der Ökumene, wenn diese Religion auf breiter Front gesiegt und die ganze evangelische Kirche überrannt hätte, "so wäre es um das Kirche-Sein der evangelischen Kirche in Deutschland geschehen gewesen".
"Das also ist das Erste und wohl auch das Größte, was die zunächst kleine Minderheit, aus der dann die BK wurde, erreicht hat, dass die evangelische Kirche Kirche blieb. Es war nur eine kleine Minderheit, die mit der Parole Kirche muss Kirche bleiben aufstand, und sie hat diese Parole durch viel Verkennung, Schmach und Leiden hindurch bewähren müssen. Deshalb ist es in der Tat etwas Großes, dass sie ihr Ziel erreicht hat."
Eine vollkommen gleichgeschaltete Kirche, eine Kirche als Dienerin der NS-Weltanschauung wäre eine ausgeschaltete Kirche gewesen. Diese Ausschaltung hat die BK verhindert, reichsweit und in Schleswig-Holstein. Schon früh und immer deutlicher haben bekennende Christen in Schleswig-Holstein erkannt, dass es zwischen dem totalen Staat und der Kirche Jesu Christi keinen Frieden, sondern nur das Entweder-Oder geben kann.
Mit der Ablehnung des NS-Staates als neuer Offenbarung Gottes wurde die Glauben und Kirche konstituierende und tragende Offenbarung Gottes in Jesus Christus neu entdeckt und bezeugt, wie es die 1. Barmer These in bleibender Prägnanz ausdrückt.
Die Theologie bekam als Schrifttheologie einen neuen Rang, und Theologie wurde confessio: hier stehe ich! Der konfessorische Ton ist in allen Veröffentlichungen der BK Schleswig-Holstein zu vernehmen.
Ein neues Lesen der Bibel begann und wurde gezielt gefördert. Der Kern der Kirche wurde die um Wort und Sakrament versammelte Gemeinde - aber immer mit einem volkskirchlichen Anspruch, die BK wollte keine auf sich selbst konzentrierte Freikirche sein.
Die Trennung von äußerer und innerer, sichtbarer und unsichtbarer Kirche erwies sich als verhängnisvolle Zugriffsmöglichkeit für politische Kräfte mit chaotischen Folgen. Diese Trennung ist falsch. "Botschaft und rechtliche Ordnung gehören zusammen" wurde eine Grundeinsicht der BK.
Die BK erkannte und praktizierte ihren Öffentlichkeitsauftrag mit Leidenschaft und Witz, besonders in Schleswig-Holstein: Wir sind keine Winkelkirche!
Ein Schwerpunkt im Kampf der BK in Schleswig-Holstein war das Amt, das im Namen Gottes mit Vollmacht reden und handeln muss und dessen Qualifikation für diesen Auftrag von fundamentaler Bedeutung ist. Dieses Amt darf nicht in die Hände der Kirchenzerstörer fallen.
In den Auftrag der Kirche sind Laien verantwortlich mit einbezogen. Die Bauern von Hans Treplin, die über den "Schietgott" der Berliner DC-Abgeordneten spotteten, hatten natürlich Anteil am Verkündigungsauftrag der Kirche, ebenso die Kirchenältesten in Havetoft, die mit Otto von Stockhausens wöchentlichen Briefpredigten von der Front Gottesdienst hielten.
Die Laienbewegung der Nachkriegszeit, die Qualifizierung von Nichttheologen, der Kirchentag, die Ev. Akademien, die Kultur der öffentlichen Kirche haben ihre Wurzeln im Kirchenkampf. Er schuf auch neues Vertrauen zur Kirche in Kreisen, die traditionell der Kirche fernstanden, und legte die Grundlage für ein neues Verhältnis zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche.
Die ökumenischen Auswirkungen des Kirchenkampfes sind unübersehbar: Was hätten die Alliierten mit einer evangelischen Kirche gemacht, die nach Art des LKA-Präsidenten Dr. Kinder oder Bischof Paulsens mit Haut und Haaren ein integraler Teil des NS-Systems geworden wäre, "Geist von seinem Geist und Wille von seinem Willen"? Wen hätte die ökumenische Delegation im Oktober 1945 besuchen können, um die Hand auszustrecken zu einem Neuanfang?
K. D. Schmidt sagt: so könnte ein Rühmen am Ende stehen. Aber das Rühmen steht nicht am Ende des Kirchenkampfes. Die "Stunde der Kirche" 1945 ist bestimmt vom Stuttgarter Schuldbekenntnis, in dem es heißt: "Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben." Dieses Wort musste am Ende des Kirchenkampfes stehen. Aber auch der Wille: "Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden."
"Wir haben nicht genug getan" war auch in der BK Schleswig-Holstein zu hören. Aber zwischen "nichts tun" und "nicht genug tun" ist ein großer Unterschied.
Wir, die Nachgeborenen, frei und ohne Druck groß geworden - jedenfalls im Westen -, können nur mit Respekt und Dank auf die Entschiedenheit schauen, mit der die BK die Herausforderung erkannte und annahm und in den Kampf um Sein oder Nichtsein der Kirche und des biblischen Glaubens in Deutschland eintrat. Und wir können nur mit Respekt und Dank auf die Bausteine sehen, die die BK in diesem Kampf, nicht nur gezwungenermaßen, sondern auch mit Lust und Begeisterung, für den Neubau nach 1945 geformt und geliefert hat.
Mit der Losung der 1. Bekenntnissynode "Was recht ist vor Gott" hat die BK Schleswig-Holsteins ein Signal gesetzt, das wir nicht aus den Augen verlieren dürfen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Karl Ludwig Kohlwage
Aus: Karl Ludwig Kohlwage, Manfred Kamper, Jens-Hinrich Pörksen (Hrsg.): "Was vor Gott recht ist". Kirchenkampf und theologische Grundlegung für den Neuanfang der Kirche in Schleswig-Holstein nach 1945. Dokumentation einer Tagung in Breklum 2015. Zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Hinz und Simeon Schildt in Zusammenarbeit mit Peter Godzik, Johannes Jürgensen und Kurt Triebel, Husum: Matthiesen Verlag 2015, S. 34 ff.