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Barlach, Der Geistkämpfer entstanden 1927 abgebaut 1937 wieder aufgestellt 1954

"Das Christentum - und das ist sein schöns­tes Verdienst - hat jene brutale germanische Kampfeslust einigerma­ßen besänftigt, konnte sie jedoch nicht zerstören, und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz, zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut, wovon die nordischen Dichter soviel singen und sagen. Jener Talisman ist morsch, und kommen wird der Tag, wo er kläglich zusammenbricht. Die alten steinernen Götter erheben sich dann aus dem verschollenen Schutt und reiben sich den tausendjährigen Staub aus den Augen, und Thor mit dem Riesenhammer springt endlich empor und zerschlägt die gotischen Dome ... Lächelt nicht über den Phantasten, der im Reiche der Erscheinungen dieselbe Revolution erwartet, die im Gebiete des Geistes stattgefunden. Der Gedanke selbst geht der Tat voraus wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freilich auch ein Deut­scher und ist nicht sehr gelenkig und kommt etwas langsam heran­gerollt; aber kommen wird er, und wenn ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wisst: der deut­sche Donner hat endlich sein Ziel erreicht ... Es wird ein Stück aufge­führt werden in Deutschland, wogegen die französische Revolution nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte." (Heinrich Heine, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, 1834/35).

Anhang: Entwicklungen auf Reichsebene

Ein Vortrag in der vergangenen Woche über den Lübecker Hauptpastor Wilhelm Jannasch/St. Ägidien machte aufmerksam auf ein Dokument der BK, das mir bis dahin unbekannt war: die Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung an Hitler vom 28. Mai 1936. Dieses erstaunliche Schreiben, in dem man den Geist der Theol. Erklärung von Barmen erkennen kann ("die Kirche erinnert an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten") ist von Pastor Jannasch, der als Vertreter der entschiedeneren, "dahlemitischen" Richtung der BK von der braunen KL aus Lübeck vertrieben worden war und im Berliner Büro der BK arbeitete, in der Reichskanzlei überreicht worden. Als dieses als vertraulich gekennzeichnete Papier mit seiner ungewohnt deutlichen Kritik am NS-Staat einige Wochen später von einer Schweizer Zeitung veröffentlicht wurde, wurde der Jurist der BK, Friedrich Weißler, verhaftet und im KZ Sachsenhausen ermordet. Weißler war jüdischer Herkunft.

Es war gar nicht einfach, den vollen Wortlaut der Denkschrift zu eruieren, aber Bruder Brauer/Lübeck, hochkundig im Internet-Bereich, hat geholfen, und seine Mühe hat sich gelohnt. Ich schicke Ihnen den Text gern zu, er wird Ihr Interesse finden.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Karl Ludwig Kohlwage (in einer E-Mail vom 23. Mai 2016)

P.S. Ein Brief von Propst Thomson aus dem Jahre 1941 macht die NS-Religions- und Kirchenpolitik in ihrer wahren Intention erkennbar. Propst Thomson spricht diese Intention mutig und schnörkellos an, genau wie es in dem Schreiben der BK Berlin an Hitler geschieht. (E-Mail vom 2. Juli 2016)

Die Denkschrift der VKL der DEK an Hitler vom 28. Mai 1936 ist abgedruckt bei:

  • Friedrich Siegmund-Schultze (Hrsg.), Ökumenisches Jahrbuch 1936-1937, Zürich und Leipzig: Max Niehans 1939, S. 216-223 (mit Datumsangabe "Frühjahr 1935" in Langfassung und ohne Anlagen).
  • Wilhelm Jannasch, Deutsche Kirchendokumente. Die Haltung der Bekennenden Kirche im Dritten Reich, Zollikon-Zürich: Evang. Verlag 1946, S. 20-31 (mit Datumsang. "Frühjahr 1936" in Langfassung, aber ohne IV. "Entkonfessionalisierung" und ohne Anlagen, mit dem Bemerken "durch den Verfasser persönlich in der Reichskanzlei übergeben" und "in die Hände des damaligen Staatssekretärs Meißner gelegt").
  • Joachim Beckmann (Hrsg.): Kirchliches Jahrbuch 1933-1944, Gütersloh: Gerd Mohn 1948, 2. Aufl. 1976, S. 132-137 (mit Datumsang. "Frühjahr 1936" in Langfassung ohne Anlagen).
  • Erik Wolf (Hrsg.), Suchet der Stadt Bestes! (Jeremias 29,7). Worte der Bekennenden Kirche an den Staat (Das christliche Deutschland 1933-1945. Evangelische Reihe, Heft 5), Tübingen: Furche 1948, S. 25-35 (mit Datumsang. "1937" in Langfassung ohne Anlagen).
  • Heinrich Hermelink (Hrsg.), Kirche im Kampf. Dokumente des Widerstandes und des Aufbaus in der evangelischen Kirche Deutschlands von 1933 bis 1945, Tübingen/Stuttgart: Wunderlich 1950, S. 344-355 (mit Datumsang. "Mai 1936" in Langfassung ohne Anlagen).
  • Wilhelm Niemöller, Die Bekennende Kirche sagt Hitler die Wahrheit. Die Geschichte der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung von Mai 1936, Bielefeld: Ludwig Bechauf 1954, S. 9-18 (mit Datumsang. "Mai 1936" in Langfassung ohne Anlagen).
  • Kurt Dietrich Schmidt (Hrsg.): Dokumente des Kirchenkampfes II/1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1964, S. 695-719 (mit Datumsang. "28. Mai 1936" in Kurzfassung mit den Anlagen 1-28).
  • Daniel Wanner: Der Widerstand der Bekennenden Kirche gegen den Nationalsozialismus - Geschichte Europa - Seminararbeit 2017 (Grin-Book).

Der Brief von Propst Thomson vom 10. September 1941 ist abgedruckt bei:

  • Paul Gürtler, Nationalsozialismus und evangelische Kirchen im Warthegau. Trennung von Staat und Kirche im nationalsoz. Weltanschauungsstaat (AGK 2), 1958, S. 256-258.