"Wolfgang Miether. Unser künftiger Bischof, hieß es. Hochbegabt. Der hat sich am merkwürdigsten verändert. Er wurde vom Krieg gefressen, war mit Leib und Seele Soldat. Er bekam die Goldene Nahkampfspange, weil er nachweisen konnte, dass er 17 Russen erschossen hatte. Erhielt das Ritterkreuz, und fiel." (Uwe Pörksen, Breklehem. Roman eines Dorfes, Husum 2016, S. 229.)
Wolfgang Miether: F. W. Valentiner. Doctor der Philosophie und Pastor in Gelting. in: Das Evangelische Hamburg. 31 (1937), S. 247-250 (Digitalisat).
Wolfgang Miether (1909-1945)
Stellvertretend für die jungen Theologen, von denen sich damals die Mehrheit in Schleswig-Holstein der BK anschloss und von denen viele als Soldaten eingezogen und im Krieg gefallen sind, erinnern wir an den jungen Pastor Wolfgang Miether, geb. am 18. Juni 1909 in Krefeld, aufgewachsen in Krefeld und in Altona, 1934 verheiratet mit Ingeborg Christiansen, Tochter eines Pastors in Nordschleswig. In Dokumenten des Nachlasses von Jörg und Reinhard Miether, seiner beiden Söhne, die Pastoren wurden, lesen wir:
"Das waren die inhaltsreichsten Jahre, als Wolfgang Miether 1934-1945 Pastor in Gelting war. Klar steuerte dieser ungewöhnlich begabte Mann den Kurs der Bekennenden Kirche. Schon 1934 gelang es ihm, die gesamte Geltinger Kirchenvertretung einschließlich des Ortsgruppenleiters Martin Jensen, zu bewegen, der Bekennenden Kirche beizutreten." Doch bald darauf begann ein Kampf der Partei gegen Pastor und Kirchengemeinde. "Bibelstunden in Schulen und Privathäusern, Konfirmandenrüstzeiten und Strandgottesdienste, Missionsfeste und Kirchliche Jugendarbeit wurden erschwert, oft verboten. Eine NS-Schwester wurde neben der Flensburger Diakonisse Schwester Pauline in Gelting eingestellt. Pastor Miethers Predigten wurden abgehört. Die Gestapo war oft in Gelting tätig ..." Aber die Gemeinde hielt zu ihrem Pastor. Schon auf der ersten Bekenntnissynode in Kiel im Sommer 1935 war als Laienvertreter Nordangelns der Bauer Heinrich Wolf (Gelting-Westerfeld) dabei ...
"Inzwischen war Pastor Miether in der Propstei Nordangeln, ja weit darüber hinaus, ein führender Mann der Bekennenden Kirche geworden. Im Kampf gegen die Deutschkirche, in Vorträgen landauf landab, im Briefwechsel des alten abgesetzten Propsten Bertheau, des Vorsitzenden des Bruderrates Wester, des Seelsorgers Pastor Moritzen - mit ihm wurde seine Lauterkeit, sein klares Urteil, seine geistliche Vollmacht besonders deutlich" (Martin Pörksen).
Die Gemeinde hielt treu zu ihm und zu seiner Frau und der Gemeindearbeit, als er Soldat wurde. "Besonders hervorzuheben" - schreibt der Sohn Reinhard Miether - "ist der Kirchenälteste Hinrich David aus Gelting-Bosiek. Er, Bauer eines mittleren landwirtschaftlichen Betriebes, war meines Vaters treuester Berater. Bei ihm konnte er frei sprechen. Er riet meinem Vater, sich freiwillig zu melden." Seinen Geltingern schrieb Pastor Miether: "Ich bin heute wie allezeit bereit, diesem Reich zu dienen mit vollem Einsatz. Ich bin Deutscher und gleich ihnen bereit, für mein Volk alles zu opfern." So meldete er sich 1940 freiwillig zum Militär. Als Soldat war er in Frankreich und am Rußlandfeldzug beteiligt. "... Seit 1945 war Miether Oberleutnant und Kommandeur des Füsilier-Bataillons der 291. Infanteriedivision. Für seinen Kriegseinsatz wurde er mehrfach ausgezeichnet. Am 10. Februar 1945 ist er in Schlesien gefallen."
Das Wort über dem Altar der Geltinger Kirche stand auch über der Trauerfeier für ihren Pastor: Soli Deo Gloria. Die erste Straße in Gelting, die einen Namen erhielt, ist die Wolfgang-Miether-Straße neben dem Pastorat. Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren aus Gelting 177 Männer gefallen und 74 Geltinger vermisst.
Zur Erinnerung an Wolfgang Miether ein Bericht seines Vikars, des späteren Direktors der Bremer Diakonie Wilhelm Detlefsen: "Aus meiner Ausbildungszeit als Lehrvikar ist mir ein Erlebnis unvergessen. Ich war Pastor Wolfgang Miether zugewiesen, bei dem ich eine SS-Beerdigung miterlebte. Der bekannte Kapitän Moritz von Egidy verstarb in der Gemeinde. Man wusste von dem früheren Kommandant der Seydlitz in der Skagerrakschlacht um seine Taten. Man wusste auch, dass er alljährlich nach Doorn fuhr, um die Ehrenwache für den im Exil lebenden Kaiser zu halten. Man munkelte auch, dass er als höherer Schutz-Staffel-Offizier die Leitung der Gestapo innehatte. Als er nun starb, bereitete die SS eine Totenfeier ohne Kirche und Pastor vor. Frau von Egidy wehrte sich mit Händen und Füßen gegen dieses Vorgehen. Sie wollte ein christliches Begräbnis und eine Feier in der Kirche, die der Pastor alleine halten sollte. Nun erlebte die kleine Dorfgemeinde zum ersten Mal den Einzug vieler höherer SS-Führer, die die ersten Bänke im Fackelschein in der Kirche besetzten. Pastor Miether hielt eine unvergleichlich mutige Predigt. Zähneknirschend saßen die SS-Führer auf den ersten Bänken. Für uns Lehrvikare ein Beispiel und Vorbild für die Standhaftigkeit der Pastoren im Kirchenkampf." (Zeit, den schmalen Weg zu gehen, S. 26).
Jens-Hinrich Pörksen/ Reinhard Miether
Aus: Vorläufige Materialsammlung zur Vorbereitung auf die Tagung am 3./4. Februar 2015 in Breklum "Die Bekennende Kirche in Schleswig-Holstein von 1933 bis 1945. Aufbruch und Neuorientierung der Landeskirche Schleswig-Holstein nach 1945", erbeten - verfasst - zusammengestellt von Jens-Hinrich Pörksen; jetzt in: Karl Ludwig Kohlwage, Manfred Kamper, Jens-Hinrich Pörksen (Hrsg.): "Was vor Gott recht ist". Kirchenkampf und theologische Grundlegung für den Neuanfang der Kirche in Schleswig-Holstein nach 1945. Dokumentation einer Tagung in Breklum 2015. Zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Hinz und Simeon Schildt in Zusammenarbeit mit Peter Godzik, Johannes Jürgensen und Kurt Triebel, Husum: Matthiesen Verlag 2015, S. 207 ff.