Unter den Überschriften "Die Stunde der Kirche" (S. 427-436) und "Drei Jahre später" (S. 437-445) berichtet Pastor Dr. Hans Rempel in seinem Buch "Mit Gott über die Mauer springen" von den Aufgaben und Möglichkeiten der Kirche in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel von Geesthacht-Düneberg und Kiel:
Der Kirche war (nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht) die Freiheit des Wortes und des Handelns gegeben. Es galt, die Stunde der Kirche durch die tätige Nächstenliebe zur größeren Stunde der Kirche zu machen. ...
Dem Hilfswerk der EKD auf gesamtdeutscher Ebene folgte die Errichtung landeskirchlicher evangelischer Hilfswerke. ...
Die Spenden aus USA, Kanada, der Schweiz, aus Schweden und anderen Ländern an Lebensmitteln, Kleidung, Schuhwerk, Decken, Geschirr, Spielzeug, Büchern und anderen Dingen erstreckten sich sogar auf Lieferung ganzer Fertighäuser, ja auch Fertigkirchen aus Holz. ...
In der Trümmerwüste Kiel entfaltete neben anderen auch eine ausländische Hilfsorganisation eine besonders segensreiche Arbeit. Es war das Mennonite Central Commitee of USA and Canada, abgekürzt MCC. ...
Das mennonitische Hilfswerk nahm im Dezember 1946 unter der Leitung von Cornelius Dyck aus Kanada in Kiel seine Arbeit auf. ...
Im Januar 1947 begann eine Speisungsaktion für alle drei- bis sechsjährigen Kieler Kinder, an der sich auch das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz beteiligte. In einer gemieteten Küche wurde täglich in 18 Kesseln das Essen für 13 750 Kinder bereitet. ...
Ab 28. April 1947 lief gleichzeitig eine Speisung für 3000 stadtärztlich ausgesuchte alte Menschen an. ...
Im November 1947 ließ sich das Mennonitische Hilfswerk von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege werdende Mütter benennen, die körperlich elend waren; sie erhielten vom fünften Monat der Schwangerschaft an bis zwei Monate nach der Entbindung laufend Lebensmittelzuwendungen. ...
Als zum Ausgang des Jahres 1949 eine größere Zahl von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion nach Hause entlassen wurde, setzte die Heimkehrerbetreuung durch das Mennonitische Hilfswerk mit Lebensmitteln ein. ...
Seit Dezember 1947 gab es eine Speisung von 200 Studenten an der Kieler Universität aus Mitteln der Schweizer Spende; sie wurde am 28. April 1948 mit Hilfe des Mennonitischen Zentralkomitees auf 2800 Studenten erweitert. ...
Die Kieler Studenten haben als Zeichen des Dankes eine Bronzeplatte mit einer Reliefdarstellung und Widmung an dem Denkmal Menno Simons' bei Bad Oldesloe anbringen lassen. ...
Als die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege im Sommer vierwöchentliche Strandfahrten für 1500 erholungsbedürftige Schulkinder einrichtete, stellte der Leiter des Hilfswerks, C. Dyck, hochwertige Lebensmittel zur Verfügung. ...
Pastor Adolf Plath, der Kieler Propsteibeauftragte des Hilfswerks der Evangelischen Kirche, berichtete im Gemeindebuch Kiel 1952: "Die Mennoniten haben sich immer aufs Neue als unsere treuen und großherzigen Freunde und Brüder erwiesen. Wir können immer nur in großer Dankbarkeit an sie denken. Sie sandten nach Kiel an Lebensmitteln 1 101 000 Kilo und an Bekleidung und Schuhen 93 680 Kilo, die in enger Zusammenarbeit mit der öffentlichen Fürsorge und den anderen Wohlfahrtsverbänden von uns ... verteilt wurden."
Auch das Evangelische Hilfswerk der Schweiz brachte größere Mengen an Lebensmitteln, Kleidung und Schuhwerk nach Kiel. Es setzte aber auch noch andere wesentliche Schwerpunkte. So errichtete es in der Stadt zwei große Baracken, in denen ein Kindergarten für 115 Kinder, zwei Nähstuben mit zehn Nähmaschinen für Frauen, die keine eigene Nähmaschine hatten, zur Verfügung standen. Auch eine Schusterwerkstatt wurde eröffnet.
"Von ganz besonderer Bedeutung unseres kirchlichen Lebens ist es, dass wir aus der Schweiz zwei Kirchen erhalten haben", führte Pastor Plath in einem Bericht vor der Propsteisynode aus. Außerdem wurden aus der Schweiz Mittel für die Wiederherstellung der Petruskirche und für das Haus der Kieler Stadtmission und für das Gemeindehaus in Friedrichsort bereitgestellt.
Die Lutherische Kirche der Vereinigten Staaten von Amerika brachte in den Jahren von 1946 bis 1960 insgesamt 517 817 Kilogramm an Lebensmitteln, Bekleidung, Schuhen und anderen Sachspenden nach Kiel. Außerdem stiftete sie 10 000 Dollar für den Bau der Kieler Vicelinkirche.
Reichliche Spenden flossen aus Schweden bis Anfang der 60er Jahre in Kieler Kirchengemeinden.
Rund ein Jahrzehnt lang leitete Pastor Dr. Rempel die Hilfswerkarbeit auf gemeindlicher Ebene in der Luthergemeinde Kiel. Auch seine Frau und die heranwachsenden Kinder wurden in manche Gemeindedienste einbezogen: "Es war eine der Welt zugewandte Seite der Verkündigung und der Seelsorge."
Vgl. dazu: